Altarverhüllung in der Paul-Gerhardt-Kirche, Berlin
20. Februar – 5. April 2015

NÄCHSTE

Thomas Florschuetz‘ großformatige Fotografien widmen sich vor allem den unterschiedlichen Möglichkeiten der kompositorischen Erfassung von realen Konstellationen. In den letzten Jahren ist es vorwiegend die Architektur und ihre den Raum gliedernden Elemente, die Florschuetz in präzise gewählten Ausschnitten zu Bildern fügt, die über den besonderen Charakter der Gebäude hinaus, autonome Kompositionen sind. Etwa in seiner Serie zum Neuen Museum in Berlin, die noch während der Sanierung durch den englischen Architekten David Chipperfield entstanden ist. Aber nicht nur Monumentalbauten wie der Palast der Republik oder die tempelartigen Museen interessieren ihn, sondern auch die fantasievollen, aus armen Materialien errichteten Architekturen der Favelas in Brasilien. Räumliche Details, wie geöffnete Fenster und ihre Spiegelungen oder die biomorph anmutende „Architektur“ von Pflanzen, wie in seinen bezaubernden Orchideen-Serien, unterliegen der gleichen strengen kompositorischen Qualität.

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Im Beginn seiner Schaffenszeit hat er in einer ähnlichen Weise die Morphologie des menschlichen Körpers und dessen ästhetische Beschaffenheit untersucht. In großen Tableaus hat Florschuetz Gliedmaßen wie Hände und Füße in geheimnisvoll wirkende Bilder verwandelt. Auch die Nahsicht von technoiden Formen, wie seine Folge über einen Friedhof ausgedienter Militärflugzeuge in den USA, führt der Künstler in eine auf der Grenze zur Abstraktion liegende strenge Bildlichkeit. Florschuetz‘ Werke sind frei von ideologischen und sozial-narrativen Implikationen. Sie sind kein wertender „Bericht“ über reale Befindlichkeiten, sondern neutrale, allein auf den „Bau“ und seiner Schönheit gerichtete Sichten.

Thomas Florschuetz für eine Altarverhüllung zu gewinnen, ist eine besonders spannende Herausforderung. Die Aufgabe führt seine Bildsprache in einen geistigen Überbau, den sich seine Bilder bewusst zu entziehen verstehen. Im Kirchenraum dient jede ästhetische Äußerung in hohem Maße dem eschatologischen Selbstverständnis des Christentums. Der Altar ist dabei der zentrale Ort der rituell vollzogenen Wandlung, ein signifikantes Gebilde der Hoffnung auf Erlösung. Seine traditionelle Verhüllung führt unweigerlich in diesen Kontext. Thomas Florschuetz hat sich entschieden, auf einer dem Altarbild vorgestellten Wand eine Gruppe seiner fotografischen Torsi zu zeigen, die indische, in farbige Hemden gekleidete Männer in der Rückenansicht abbilden. Florschuetz hat bewusst auf jede Individualisierung verzichtet, auch fehlen alle Merkmale einer nationalen Zugehörigkeit. Es handelt sich um Fremde, die nichts von ihrer Persönlichkeit preisgeben. Das Auge sucht dennoch nach Merkmalen, die diese Distanz aufzuheben verstehen. Intuitiv sucht man nach einer außereuropäischen Identität. Wie kommt das?

Es wird die Aufgabe eines auf diese Weise angeregten Diskurses sein, diese Fotografien in den Zusammenhang des christlichen Weltverständnisse oder einfach der aktuellen Debatte über interkulturelle Begegnungen, über Fremdheit, über den Unterschied der Religionen und einer friedlichen Begegnung zu stellen.
Prof. Dr. Eugen Blume, Leiter des Hamburger Bahnhofs – Museum für Gegenwart, Berlin

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Thomas Florschuetz, Nächste, 2012/2015, 7teilig, 345 x 250 cm
Thomas Florschuetz, Nächste, 2012/2015, 7teilig, 345 x 250 cm
Das signierte Plakat kann hier erworben werden.

Veranstaltungen

20. Februar 2015, 18:00 Uhr
Eröffnung
mit Thomas Florschuetz
Eröffnung: Pfarrerin Uta Fey
Einführung: Prof. Dr. Eugen Blume, Leiter des Hamburger Bahnhofs, Museum für Gegenwart, Berlin
Musikalische Gestaltung: Solistenensemble Fugatonale
Leitung: Franziska Günther

01. März 2015, 15:00 Uhr
Konzert „Weicht, Ihr Trauergeister“
European Bachensemble
Leitung: Kim Nguyen

05. April 2015, 09:30 Uhr
Ostersonntagsgottesdienst
mit Enthüllung des Altars

Die Altarbildverhüllung kann in der Kirche während der Passionszeit von Montag bis Freitag zwischen 15 und 17 Uhr und zu den Gottesdiensten gesehen werden.

Einladung pdf, Presse: Tagesspiegel