Altarverhüllung in der Paul-Gerhardt-Kirche, Berlin
9. März – 18. April 2014
GEBETE ERFINDEN
Der althergebrachte heidnische Altar wird in der christlichen Überlieferung zum mensa domini, zum Tisch des Herrn, der in einem besonderen Raum aufgestellt der Feier der Eucharistie dient. Seine Wandlung vom Opfertisch zum Tisch des Abendmahls zeigt die neue Qualität des Christentums. Lange Zeit ist er durch den Lettner im Chor verborgen, nur Auserwählten zugänglich. Das Verborgensein, das Verhüllte des Allerheiligsten hat als symbolisches Bild seines Geheimnisses in den meisten Religionen eine hohe Bedeutung. Stoffe spielen dabei sowohl als Kleidung wie als Vorhänge in Erzählungen, Ritualen und liturgischen Gewändern eine zentrale Rolle.
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Der protestantische, historistisch gefasste Altar der Paul-Gerhardt-Kirche steht frei, ohne jede Beschränkung im Sinne der Klarheit des Wortes, des Gesprächs über die Fragen der Gemeinde. Christus erscheint hier als das fleischgewordene Wort, nicht als das sich entziehende Geheimnis. Wenn Katharina Grosse diese Situation in gewisser Weise zurücknimmt und einen Stoff über die Gesamtheit des Altars fallen lässt, bewegt sie sich in dem gespannten Widerspruch zwischen Verbergen und Ausfaltung des Geheimen, der jede spirituelle Weltbeziehung trägt. Die Malerin verzichtet auf den für sie typischen Gebrauch der Farbe als expressive Verbindung und Überlagerung von Wand- und Raumkonstellationen. Die Farbe legt sich vielmehr als violetter Stoff über den Raum und macht ihre jeder Zeit mögliche Revision sichtbar, die Teil des künstlerischen Konzepts ist. Der Betrachter, der bei genauer Hinsicht nicht nur ovale Öffnungen im Stoff wahrnimmt, sondern auch die ihm zugekehrten Nähte, ist der eigentlich Verhüllte. Seine Aufgabe ist es, sich dem Gegenstand seines Glaubens auf eine wortlose, intuitive Weise zu nähern. Der gewohnte Ort wird verfremdet und erscheint im wörtlichen Sinne in einem anderen Gewand. Die durch die Öffnungen fragmentierte Sicht auf den Altar lässt seine Ganzheit zum Ereignis werden. Der Betrachter ist gezwungen, das Verhüllte zu imaginieren. Durch die Begehbarkeit des über die Stufen gelegten Stoffes und durch das dadurch notwendige Ablegen des Schuhwerks werden interreligiöse Handlungsmomente assoziiert. Die Arbeit von Katharina Grosse verwandelt den Altarraum zeitweilig in eine sich jeder Vorschrift entziehende offene Situation, die den spirituellen Zusammenhang christlichen Weltverständnisses in ungewöhnlicher Weise thematisiert. zurück<<<
Prof. Dr. Eugen Blume, Leiter des Hamburger Bahnhofs – Museum für Gegenwart, Berlin
Veranstaltungen
9. März 2014, 18:00
Eröffnung
Liturgin: Pfn. Uta Fey, Gastredner: Prof. Dr. Eugen Blume
Musik: enchore Kammerchor Berlin, Leitung: Yuval Weinberg
6. April 2014, 15:00
Mitten wir im Leben sind mit dem Tod umfangen
European Bachensemble, Gascoigne Quartett, Leitung: Kim Nguyen
12. April 2014, 18:00
Gebete erfinden
Laienandacht mit Katharina Grosse und Stefan Schneider
Musikalische Aktion für Kirchenglocken, Stimmen und elektronische Instrumente, aus diesem Anlass erscheint eine CD. Diese kann hier erworben werden.
Die Altarverhüllung ist montags bis freitags 15 – 18 Uhr und zu den Gottesdiensten zusehen.